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Segeln auf Unendlichkurs

Die Sailhorse „Scotty“ vom VWG ist keine Schönheit. Sie ist ockerfarben und man sieht ihr die langjährige, intensive Nutzung an - von den Vereinsbooten ist sie das beliebteste. Auch ich, seit Frühjahr 2022 VWG-Mitglied, habe mich beim ersten Mal auf der „Scotty“, das auch mein erstes Mal auf einer Sailhorse war, in das Boot verliebt. Von Anfang an lag mir das Ruder gut in der Hand; es fühlte sich so selbstverständlich an, als hätte ich nie etwas anderes gemacht, als Sailhorse zu segeln. Seitdem genieße ich ihre Eigenschaften, dass sie einerseits stabil im Wasser liegt und man andererseits auch sportlich mit ihr aufdrehen kann. Ich freute mich sehr, als ich hörte, dass die Sailhorse-Klassenvereinigung ein Trainings-Camp bei uns im Verein anbietet. Da wollte ich unbedingt dabei sein!

Am zweiten Juni-Wochenende 2023 war es so weit. Freitagnachmittag kamen die externen Seglerinnen und Segler mit ihren Sailhorses an, Segeln stand noch nicht auf dem Programm. Samstagvormittag stellten sich unsere Trainerin und Trainer vor: Inken und Markus wollten uns auf den Booten anleiten, und Christian, selbst VWG-Mitglied, erklärte uns den Ablauf des zweitägigen Trainings. Wir kannten Christian als jemanden, der beim monatlichen, internen Wettrennen „Rotes Band“ mit seiner roten Sailhorse „Phönix“ immer auf einem der vorderen Plätze ins Ziel kommt. Nun wollte er unser Training vom Motorboot aus mit einer Kamera begleiten, um uns anschließend mit dem gedrehten Material unsere Segel-Fähigkeiten und Manöver zeigen zu können.

Inken, Markus, Caroline, Uta, Marie-Luise, Sabine, Simone, Jürgen, Heinz, Martin, Thomas, Henrik, Alex und ich verteilten uns auf die zur Verfügung stehenden Sailhorses „Inkus“, „Zottel“, „Jolly Jumper“, „Wendelin“ und „Scotty“, die am VWG-Steg lagen. Wir paddelten ein Stück hinaus aufs Wasser, setzten die Segel und fuhren los. Die VWG liegt am Übergang vom Stössensee zur Unterhavel, mit einem sehr schönen Weitblick über das Wasser in Richtung Westen, dorthin, wo die Sonne untergeht. Wir brauchten mit Kurs vor dem an dem Wochenende vorherrschenden Nordost-Wind nicht lang zu unserer ersten Trainingsstrecke zwischen dem Restaurantschiff „Alte Liebe“ und dem Schildhorn im Süden und der Halbinsel Pichelswerder im Norden. Das Wetter war uns hold, es war sommerlich warm, der Wind blies eher mäßig und damit angemessen für ein erstes Training, bei dem sich die Teilnehmenden erst einmal kennen lernen mussten.

Ich war mit Jürgen und Trainer Markus auf der „Jolly Jumper“. Jürgen kannte ich von einem „Roten Band“ auf der „Scotty“ ein paar Wochen zuvor, ein einge spieltes Team waren wir also nicht. Unser aller Aufgabe war, Achten um zwei Bojen herum zu fahren. Gar nicht so einfach, zumal die Entfernung zwischen den beiden Bojen nicht sehr weit war und sich auf dem gleichen Kurs noch weitere Boote mit Besatzungen im Beschnupper-Modus tummelten. Dieses erste Training habe ich als eher anstrengend, leicht überfordernd in Erinnerung. Es ging alles sehr schnell, wir mussten uns als Team koordinieren, mit einem Boot, auf dem wir vorher noch nie waren, wenden, halsen, Segel trimmen, Vorfahrtsregeln beachten, zwischendrin die Plätze an Ruder/Großsegel und Fock tauschen,Trainer-Kommandos hören und am besten gleich umsetzen. Es war so intensiv, dass ich das Zeitgefühl verlor und vor Konzentration in eine Art Tunnel geriet, in dem ich nur noch das Wesentliche wahrnahm.

Irgendwann kam das Zeichen, zurückzufahren. Nach dem Segel bergen und Anlegen trafen wir uns im Gemeinschaftsraum der VWG, wo Christian Leinwand und Beamer aufgebaut hatte, um mit uns gemeinsam das Film-Material vom Training zu sichten und zu besprechen. Nach und nach wurden von allen Beteiligten Aufnahmen gezeigt und analysiert. Viel gab es da zu sehen, von vorbildlichem Manövrieren bis zu schlackernden Segeln, Fast-Zusammenstößen und Segelnden, die im Moment die Kontrolle über die Leinen, Pinne oder die Orientierung verloren hatten. In jedem Fall sehr lehrreich, sich selbst und die anderen „in action“ auf einem Segelboot zu sehen! Und natürlich auch ein wenig unangenehm in Situationen, in denen einen die Kamera bei einer Ungeschicklichkeit erwischt und festgehalten hatte. Abgerundet wurde dieser ereignisreiche Tag mit einem Bad in der Havel und einem gemeinsamen Abendessen auf der Terrasse des Klubhauses vom Nachbarverein „Klub am Rupenhorn“.

Am Sonntag fiel die einführende Gesprächsrunde deutlich knapper aus. Alle wollten schnell aufs Wasser. Wind- und Wetterverhältnisse waren ähnlich wie am Vortag, etwas böiger war es, und wir fuhren diesmal weiter raus. Die Bojen waren jenseits der Fahrrinne vor der Scharfen Lanke ausgelegt. Die Aufgabe war die gleiche: Achten um die Bojen segeln, einen Unendlichkurs. Und siehe da: Über Nacht hatte sich das tags zuvor Gelernte offenbar gesetzt. Das schnelle Agieren inmitten von entgegenkommenden oder (zu) überholenden Booten fiel allen Teilnehmenden leichter. Das, was keine 24 Stunden zuvor, zumindest bei mir, in einen Konzentrations-Tunnel geführt hatte, wurde jetzt zu einer Art Rausch. Die neu erlernten Abläufe begannen sich zu automatisieren. Dabei spielte es keine Rolle, ob der launische Nord-Ost-Wind uns an dem Tag in einer Flaute vor uns hindümpeln ließ oder uns zwischenzeitlich Adrenalin-Stöße mit plötzlichen, recht heftigen Böen bescherte. Allen schien das Training Spaß zu machen und etwas zu bringen. Entsprechend wohlwollend und ermutigend war das anschließende Feedback. Neben dem Training erfuhren wir auch viel über die Aktivitäten der Klassenvereinigung, über Sailhorse-Regatten und die Segelreisen von Inken und Markus auf ihrer „Inkus“ an der schwedischen und italienischen Küste. Ich freue mich schon auf die nächste Sailhorse-Veranstaltung und plane auf jeden Fall, wieder dabei sein.

Stefanie Zobl

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